So beantragen Sie einen ergonomischen Bürostuhl bei der Krankenkasse

Die gesetzliche Krankenkasse zahlt nur bei medizinischer Notwendigkeit gemäß §33 SGB V. Ein ergonomischer Bürostuhl muss als Hilfsmittel eingestuft werden, um gesundheitliche Beeinträchtigungen auszugleichen oder einer Verschlechterung vorzubeugen.
Typische Anwendungsfälle:
- Chronische Rückenschmerzen (länger als 6 Monate dokumentiert)
- Bandscheibenvorfälle mit neurologischen Ausfällen
- Skoliose ab Cobb-Winkel >20°
- Postoperative Rehabilitation nach Wirbelsäulenoperationen
- Angeborene Fehlstellungen wie Spina bifida
💡 Wichtig: Der Stuhl muss im Hilfsmittelverzeichnis der GKV (Produktgruppe 26) gelistet sein. Standard-Bürostühle werden nicht übernommen.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein?
Medizinische Notwendigkeit
- Ärztliche Diagnose: Orthopäde oder Hausarzt muss eine objektivierbare Erkrankung dokumentieren (z.B. Röntgenbefunde, MRT, Schmerztagebuch).
- ICD-10-Code auf dem Rezept (z.B. M54.5 für chronische Lumbalgie).
Verordnung mit detaillierten Angaben
Das Rezept muss enthalten:
- Konkrete Stuhlmerkmale (z.B. "Lordosenstütze mit 5 Druckzonen")
- Begründung, warum Standardmöbel ungeeignet sind.
Antrag vor Kauf stellen
- Kostenvoranschlag eines Vertrags-Sanitätshauses einholen.
- Eigenkäufe ohne Genehmigung führen zum Verlust des Anspruchs.
Der Antragsprozess Schritt für Schritt

Arzttermin vereinbaren
- Lassen Sie Beschwerden dokumentieren (Schmerzskala, Bewegungseinschränkungen).
- Fordern Sie ein indikationsspezifisches Rezept (z.B. "Arthrodesenstuhl bei Hüftversteifung").
Kostenvoranschlag einholen
- Vertragspartner der Krankenkasse wählen (Liste im Hilfsmittelverzeichnis).
-
Festbeträge beachten:
Hilfsmittelkategorie Maximalbetrag (2025) Zuzahlung Patient Arthrodesenstuhl (PG 26.03) 435 € 10% (max. 10 €) Aktiv-dynamischer Stuhl (PG 26.05) 620 € 10% (max. 10 €)
Antrag bei der Krankenkasse einreichen
- Formular ausfüllen (online oder per Post).
- Anlagen: Rezept, Kostenvoranschlag, Arbeitsplatznachweis (z.B. Homeoffice-Vertrag).
Prüfung durch den Medizinischen Dienst (MDK)
-
Kriterien des MDK:
- Nachweis der Alltagstauglichkeit
- Wirtschaftlichkeit (Vergleich mit günstigeren Alternativen)
- Dauernutzung (mindestens 6 Stunden/Tag)
Genehmigung oder Ablehnung
- Genehmigung: Stuhl wird vom Sanitätshaus geliefert.
- Ablehnung: Widerspruch innerhalb von 4 Wochen einlegen.
Welche Kosten übernimmt die Krankenkasse?
Die Erstattung erfolgt nach Festbeträgen:
Hilfsmittelkategorie | Maximalbetrag (2025) | Zuzahlung Patient |
---|---|---|
Arthrodesenstuhl (PG 26.03) | 435 € | 10% (max. 10 €) |
Aktiv-dynamischer Stuhl (PG 26.05) | 620 € | 10% (max. 10 €) |
Sitzschale mit Pelotten (PG 26.07) | 890 € | 10% (max. 10 €) |
Achtung: Eigenbeschaffung ohne vorherige Genehmigung führt zum Verlust des Anspruchs.
Wie unterscheiden sich die Krankenkassen?
Krankenkasse | Genehmigungsquote (2024) | Bearbeitungsdauer | Besonderheiten |
---|---|---|---|
TK | 68% | 2-3 Wochen | Akzeptiert Telemedizin-Gutachten |
AOK | 55% | 4-6 Wochen | Verlangt MDK-Begutachtung ab 500 € |
Barmer | 72% | 3-4 Wochen | Bietet Vor-Ort-Beratung durch Ergotherapeuten |
Was tun bei Ablehnung des Antrags?
Widerspruch einlegen
- Frist: 1 Monat nach Bescheid (§84 SGG).
- Mustertext:
"Sehr geehrte [Krankenkasse],
ich lege gegen den Bescheid vom [Datum] fristgerecht Widerspruch ein. Die abgelehnte Maßnahme ist zur Sicherung meiner Erwerbsfähigkeit unverzichtbar, wie das beigefügte Facharztgutachten vom [Datum] belegt. Ich bitte um erneute Prüfung unter Einbeziehung der Atteste."
Unterstützung holen
- Patientenberatung: Kostenlose Hilfe beim Ausfüllen von Widerspruchsschriften.
- Sozialverband VdK: Rechtsschutz für Versicherte (Jahresbeitrag 45 €).
Alternative Kostenträger im Überblick
Deutsche Rentenversicherung (DRV)
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Voraussetzungen:
- 15 Beitragsjahre
- Gefährdung der Erwerbsfähigkeit
- Leistung: Bis zu 100% für Stühle der PG 26.03-26.05
Berufsgenossenschaften
-
Voraussetzungen:
- Arbeitsunfall oder Berufskrankheit
- Leistung: 100% bei Anerkennung des Arbeitszusammenhangs
Praxistipps für verschiedene Zielgruppen
Angestellte im Homeoffice
- Arbeitgeber verpflichtet: Gemäß § 3a der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen und dabei auch ergonomische Anforderungen zu berücksichtigen.
- Trick: Stuhl über Firmenkonto kaufen und als Betriebsausgabe abschreiben.
Selbständige
- Steuerliche Absetzung: 100% als Betriebsausgabe (§4 EStG).
FAQ
Zahlt die Kasse auch Sitz-Steh-Tische?
Ja, aber nur bei kombinierter Verordnung mit Stuhl. Maximalzuschuss: 1.200 € über die DRV.
Wie oft wird ein neuer Stuhl bezahlt?
Nach 5 Jahren bei Verschleiß, früher nur bei Verschlechterung des Gesundheitszustands.
Fazit
Mit systematischer Vorbereitung sind Erfolgsquoten von über 60% realistisch. Entscheidend sind:
- Dokumentationsqualität: Lückenlose ärztliche Unterlagen.
- Frühzeitige Abstimmung: Vorab-Check mit dem MDK.
Ein durchschnittlicher Antrag spart 320-800 € Eigenkosten – der Aufwand rechnet sich!