Zuschüsse für ergonomisches Homeoffice: Wer zahlt was?

Gesundes Arbeiten im Homeoffice ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit. Doch wer übernimmt die Kosten für einen ergonomischen Stuhl oder einen höhenverstellbaren Schreibtisch? Je nach Situation sind Zuschüsse oder eine volle Kostenübernahme durch verschiedene Träger möglich. Dieser Leitfaden hilft Ihnen, den richtigen Ansprechpartner zu finden und Ihren Antrag erfolgreich zu stellen.
Ihr erster Schritt: Welcher Träger ist für Sie zuständig?
Die vielen Optionen können verwirrend sein. Halten Sie sich an diese empfohlene Reihenfolge, um den für Sie passenden Weg zu finden:
- Immer der erste Ansprechpartner: Der Arbeitgeber. Ihr Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, für einen sicheren und gesunden Arbeitsplatz zu sorgen – auch im Homeoffice. Suchen Sie immer zuerst das Gespräch mit Ihrem Vorgesetzten oder der Personalabteilung.
- Bei konkreten Diagnosen: Die Krankenkasse (GKV). Wenn bereits eine ärztlich festgestellte, chronische Erkrankung (z. B. des Rückens) vorliegt, ist Ihre gesetzliche Krankenkasse der nächste Ansprechpartner für medizinische Hilfsmittel.
- In besonderen Lebenslagen: Spezialisierte Träger. Die Rentenversicherung, Agentur für Arbeit, Berufsgenossenschaft oder Integrationsämter kommen ins Spiel, wenn besondere Umstände vorliegen, z. B. nach einer Operation, bei drohendem Jobverlust, nach einem Arbeitsunfall oder bei einer anerkannten Behinderung.
1. Gesetzliche Krankenkassen (GKV): Zuschüsse bei medizinischer Notwendigkeit
Die GKV kann Hilfsmittel wie ergonomische Bürostühle oder höhenverstellbare Tische bezuschussen, wenn eine klare medizinische Notwendigkeit besteht.
Voraussetzungen:
- Ärztliche Verordnung mit einer ICD-10-Diagnose, z. B. M54.5 für chronische Kreuzschmerzen.
- Nachweis eines 12-wöchigen Schmerzprotokolls mit:
- 4× täglicher Eintragung auf der Visuellen Analogskala (VAS, 0–10)
- Aktivitätsbezogener Verlauf (z. B. „Sitzen >2 Std. → Schmerz Stufe 7“)
- In Einzelfällen: Oswestry Disability Index (ODI) ≥30 % – nicht bei allen Kassen verpflichtend
Zuschusshöhe:
- Bis zu 435 € für einen orthopädischen Bürostuhl
- Bis zu 1.200 € für einen höhenverstellbaren Tisch
- Achtung: Die Höhe ist vom Produkt und seiner Listung im GKV-Hilfsmittelverzeichnis abhängig. Elektrische Tische werden oft nur anteilig übernommen
2. Deutsche Rentenversicherung (DRV): Starke Einschränkungen seit 2023
Die DRV fördert reguläre ergonomische Möbel nur noch in eng begrenzten Ausnahmefällen, um die berufliche Teilhabe zu sichern.
Förderfähig:
- Postoperative Phase (maximal 6 Monate nach einer OP) – benötigt: Entlassungsbericht und Reha-Plan
- Schwere Skoliose mit Cobb-Winkel > 40° – bildgebende Dokumentation (Röntgen) ist erforderlich
- Unfallbedingte Funktionseinschränkungen – nur nach Anerkennung durch ein UV-Verfahren
Wichtige Antragsunterlagen:
- G100 (Antrag auf Leistungen zur Teilhabe)
- G103 (Anlage zum Antrag auf Leistungen zur beruflichen Teilhabe)
- G3143 (Stand 2024) – Spezifikationsblatt für die Arbeitsplatzausstattung
3. Agentur für Arbeit: Zuschüsse bei gefährdeter Erwerbsfähigkeit
Die Agentur für Arbeit kann Maßnahmen fördern, um die Beschäftigungsfähigkeit zu erhalten, insbesondere bei körperlichen Einschränkungen oder im Rahmen einer Wiedereingliederung.
Voraussetzungen:
- Teilnahme an einer MBOR (Medizinisch-beruflich orientierten Rehabilitation)
- Feststellung eines signifikanten Erwerbsrisikos durch einen Arzt oder Reha-Berater
- Die Person muss als "arbeitsmarktnah" eingestuft sein
Förderquote:
- 100 % Zuschuss, wenn die Rückkehr an den bisherigen Arbeitsplatz realistisch ist
- Reduziert auf max. 60 %, wenn ein Berufswechsel oder eine Reduzierung der Arbeitszeit erwartet wird
4. Berufsgenossenschaften (BG): Bei nachweislich arbeitsbedingten Erkrankungen
BGs sind zuständig, wenn Beschwerden die Folge einer anerkannten Berufskrankheit oder eines Arbeitsunfalls sind.
Anforderungen:
- Ein abgeschlossenes UV-Verfahren, in dem die arbeitsbedingte Belastung offiziell anerkannt wurde
- Nachweis über eine tägliche Sitzzeit von über 6 Stunden mittels einer Arbeitszeiterfassung über 12 Monate
- Bearbeitungsdauer: Rechnen Sie mit 4–8 Monaten, da oft medizinische Gutachten erforderlich sind
5. Integrationsämter: Für Menschen mit (anerkannter) Behinderung
Diese Ämter fördern die ergonomische Ausstattung, um die Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderung zu sichern.
Voraussetzungen:
- GdB ≥50 % oder eine Gleichstellung ab GdB 30 % gemäß SGB IX
- Die Tätigkeit wird mehrheitlich (>50 %) im Homeoffice ausgeübt
- Nachweis, dass der bestehende Wohnraum eine ergonomische Anpassung nicht ohne Weiteres erlaubt
Förderhöhe:
- Bis zu 100 %, auch für spezielle Ausführungen oder individuelle Anfertigungen
6. Der Arbeitgeber: Gesetzliche Pflicht zur Prävention
Nach § 3 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) und der Arbeitsstättenverordnung ist der Arbeitgeber immer zur Prävention verpflichtet, auch im Homeoffice. Die Finanzierung darf nicht einfach auf Arbeitnehmer abgewälzt werden.
Pflichten des Arbeitgebers:
- Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung für den Telearbeitsplatz
- Bereitstellung oder Finanzierung ergonomisch geeigneter Arbeitsmittel
- Unterweisung der Mitarbeiter und Anpassung bei auftretenden Beschwerden
Wie setzen Sie Ihren Anspruch durch?
- Wenden Sie sich an Ihre Führungskraft, die Personalabteilung oder den Betriebsrat
- Fordern Sie eine Gefährdungsbeurteilung an
- Bei Untätigkeit: Einschaltung von Betriebsrat, Sifa oder Amt für Arbeitsschutz
Wichtig: Es gibt einen Unterschied zwischen einem fest eingerichteten Telearbeitsplatz (voll unter ArbStättV) und mobilem Arbeiten. Die Fürsorgepflicht gilt jedoch in beiden Fällen.
Zusammenfassung – Was Sie beachten müssen
Antragsträger | Wichtigste Voraussetzung | Förderhöhe | Besonderheit |
---|---|---|---|
GKV | ICD-10-Diagnose, Schmerzprotokoll | bis 1.200 € | Stark vom Produkt und der Krankenkasse abhängig |
DRV | Nur bei OP, schwerer Skoliose, Unfall | bis 435 € | Strenge Ausnahmeregelung, korrekte Formulare entscheidend |
Agentur f. Arbeit | MBOR + signifikantes Erwerbsrisiko | 60–100 % | Abhängig von der beruflichen Zukunftsperspektive |
BG | Anerkanntes UV-Verfahren + Tätigkeitsnachweis | Individuell | Nur bei anerkannter Berufskrankheit/Arbeitsunfall |
Integrationsamt | GdB ≥30 % + Homeoffice-Anteil >50 % | bis 100 % | Umfassende Förderung zur Sicherung des Arbeitsplatzes |
Arbeitgeber | Gefährdungsbeurteilung, Ergonomieanalyse | Intern geregelt | Gesetzliche Verpflichtung, immer der erste Ansprechpartner |